Dom mit Ski via Festigrat
Anfang des Jahres zur Skihochtourensaison hatten Fenja und ich die Ehre 10 Tage bei unsrem Freund Till in Saas-Fee zu verbringen. Von unserer letzten Tour wollen wir genauer berichten…
Der Dom ist mit 4545 m der höchste Berg, der ganz auf Schweizer Boden steht. Auf den Dom gibt es zwei klassische Routen. Eine Route ist der Normalweg über den Hohberggletscher, welche über die Nordflanke führt. Hierbei handelt es sich um eine eher leichtere Skihochtour durch vergletschertes Gelände. Die Krux hierbei ist der Übergang übers Festijoch vom Festigletscher auf den Hohberggletscher. Die andere Route auf den Dom führt über den Festigrat, ein relativ langer Grat mit vielen Wechseln zwischen Fels, Eis und Schnee, was den Grat, in Kombi mit dessen Länge recht anspruchsvoll macht. Die Kletterei ist nie sehr schwer, teilweise sind Stellen im Eis recht ausgesetzt.
Wir haben den Festigrat als unsere Aufstiegsroute gewählt. Da der Abstieg über den Normalweg führt konnten wir nicht wie üblich den Grat nur mit einem leichten Rucksack mit der nötigen Gletscherausrüstung klettern. Wir mussten unsere Ski auf dem Buckel mitschleppen, um über die Nordflanke abzufahren. Zum Kraxln waren natürlich wie immer unsre Skischuh die weapon of choice.
Die Planung fiel uns nicht besonders leicht, da wir keine Tourenberichte aus dem Winter vom Festigrat gefunden haben. Generell wird der Dom als Skitour eher seltener begangen, da der Hüttenzustieg 1600 hm beträgt und die Hütte im Winter geschlossen ist. Es gibt einen Winterraum, jedoch bietet dieser keine Koch- oder Heizmöglichkeiten.
Da im Frühjahr aber sehr grausige Bedingungen herrschten, haben wir beschlossen, dass die Tourenberichte aus dem Sommer reichen müssen. Tendenziell hatte es sogar weniger Schnee als im Sommer, weshalb wir uns auf mehr Eis- und Felskraxelei einstellten.Ein lokaler Bergführer machte uns noch klar, dass es „ziemlich zach“ sei, seine Skier über den Festigrat zu schleppen und dass er das nicht unbedingt empfehlen würde. Aber „ihr wissts scho was ihr machts“ meinte er. Die Vorfreude wuchs und wuchs.
Zusammen mit Till stiegen wir am nächsten Mittag auf die Domhütte auf. Till war so lieb und hat sich spontan freigenommen, um uns auf die Hütte zu begleiten und eine Nacht dort mit uns zu verbringen. Das Wetter war herrlich. Im T-shirt steigen wir zur Hütte auf. Der Hüttenzustieg ist echt wunderschön und abwechslungsreich. Von der Hütte aus hat man eine fantastische Aussicht auf die ganz großen Berge des Wallis.
In der nächsten Nacht klingelte um 03:30 Uhr der Wecker. Eine halbe Stunde später standen Fenja und ich Abmarschbereit vor der Hütte. Unsere Ski trugen wir vorerst auf dem Buckel bis zum Festigletscher. Am Gletscher angekommen seilten wir uns an, schnallten die Ski an die Füße und steuerten den Einstieg zum Festijoch an. Um auf den Festigrat zu kommen, klettert man einige Meter im 3 er Gelände in das Festijoch hoch. Der Anstieg ins Festijoch ist laut Führer sogar mit Seilen versichert. Auch einige BH seien hier zu finden. Da uns aber jegliche Spuren fehlten und es noch stockduster war, haben wir den eigentlichen Einstieg zum Festijoch verfehlt. Wir entschieden uns kurzerhand dazu, an einer anderen Stelle einzusteigen. Von unten sah die gewählte Linie relativ einfach aus. Als wir anfingen zu klettern begann die Morgendämmerung. Etwas licht war garnicht so schlecht. Wir haben uns wohl die beschissenste Stelle ausgesucht, um auf den Grat zu kommen. Durch teils sehr brüchiges Gelände, teils eher rutschigen Untergrund und ab und zu 4er Kletterei (in mehr oder weniger kompakten Fels) kämpften wir uns mit Ski auf dem Buckel und Skischuhen an den Füßen auf den Grat hoch. Das schlimmste war eigentlich, dass wir unsere Handschuhe ausziehen mussten. Binnen wenigen Sekunden spürten wir unsere Hände nicht mehr. An sichern war in diesem Gelände garnicht zu denken. Umso mehr mussten wir die Zähne zusammenbeißen und uns gut konzentrieren.
So haben wir uns wenigstens den ersten Abschnitt des eigentlichen Grates gespart und nicht ganz so viel Zeit verloren.
Der erste Teil ähnelte mehr einer Bergtour. Der Grat war komplett aper. Nach links konnte man in eine steile Eisflanke runterschauen. Unser Weg führte uns über einen Geröllrücken mit vereinzelten schönen Kletterpassagen. Wir kamen für unser Gepäck ganz zügig voran und waren gut gelaunt.
Wir marschierten und kraxelten vor uns hin. Die Kraxlepassagen wurden immer länger und die Wanederpassagen kürzer. Der Anstieg wurde steiler. Nach einer guten Weile (es müssen mehrere Stunden gewesen sein) mussten wir das erste mal bissl links vom Grat in eine etwas steilere Eisflanke ausweichen. Hier schnallten wir die Steigeisen an und packten die Eisgeräte aus.
Nach dem kurzen Aufschwung folgte der Weg weiter am Grat. Man quert immer wieder vereiste/firnige Stellen, kraxlt wieder ein Stück usw…. Die Steigeisen wieder auszuziehen, wenn man sie einmal anhat, lohnt sich nicht. Je nach Verhältnissen ist es schneller und einfacher leicht unterhalb im Grat im Firn zu klettern. Links des Grates befinden sich durchgehend imposante Eisbrüche. Oberhalb der Eisbrüche biegt man leicht in südöstlicher Richtung (links) ab in Richtung Normalweg. Vorher Jedoch mussten wir noch ein sehr ausgesetztes Stück auf der rechten Seite des Grates traversieren. Hierzu haben wir uns kurz angeseilt und mit einer Eisschraube zwischen uns gesichert, da direkt rechts neben uns eine Steileisflanke abfiel.
Danach machten wir nach insgesamt 7 Stunden Gehzeit das erste Mal eine kurze Paus in den Felsen gemacht. Uns blieb aber nicht mehr Zeit, als um uns schnell einen Riegel einzuverleiben und zwei Schlucke zu trinken. Es war mittlerweile schon 11:00 Uhr. Eigentlich wollten wir da ja schon oben sein. Aber durch die doch anspruchsvolleren Bedingungen als im Sommer brauchten wir einfach mehr Zeit. Wir waren schon gut angestrengt. So lange Zeit in Skischuhen zu klettern, is ned de größte Gaudi einfach sau anstrengend. Uns war aber auch bewusst, dass der Gipfel noch weit entfernt ist. In weiser Voraussicht stopften wir uns die Hosentaschen voll mit Riegeln. Nach der Traverse querten wir leicht durch die Nordflanke in Richtung Normalweg. Auch wenn wir den Gipfelaufbau schon sehen konnten, kam er uns noch sehr weit entfernt aus. Ab jetzt wurde das Gelände angenehmer. Wir stapften über die abgeblasene, hart gefrorene Nordflanke in Richtung Gipfelanstieg. Es wurde nochmal etwas flacher, was unseren Beinen entgegenkam. Die letzten Höhenmeter wurden nochmal steiler. Aber wir waren wieder motiviert. Die Beine waren zwar schon erschöpft aber an Aufgeben dachten wir keine Sekunde. Dazu war die Freunde und die Überwältigung zu groß, so nahe vor dem Ziel zu stehen. Den Blutzucker hielten wir mit Riegeln aufrecht. Ich muss schon sagen es ist faszinierend, wie lange der Körper ohne richtige Nahrung Höchstleistung auf weit über 4000 Metern Höhe erbringen kann.
Um 14:00 Uhr, nach 10 Stunden am Weg, erreichten wir endlich den Gipfel bei Kaiserwetter. Es hätte nicht perfekter sein können. Überwältigt von der wirklich beeindruckenden Aussicht waren wir definitiv! Doch für langes Staunen hatten wir leider keine Zeit. Trotz der strahlenden Sonne war es durch den Wind sehr eisig und wir hatten ja noch einen nicht allzu kurzen Abstieg vor uns.
Runterzu ging es über den Normalweg. Da die Schneelage alles andere als winterlich war, mussten wir die ersten 500 Hm unsere Ski über den aperen Gletscher runtertragen im Schlängelmodus durch die Spalten. Wenigstens war eine Spur zu erkennen, so mussten wir uns nicht groß um die Wegführung kümmern. Als wir die Ski endlich anschnallen konnten war es schon spät am Nachmittag. Die restliche Abfahrt am Seil ging aber zügig. Wobei das Abfahren am Seil natürlich wieder eine reine Gaudi war und nichts mit schönem Skifahren zutun hatte.
Wir mussten noch einmal Auffellen um zurück ins Festijoch aufzusteigen. Nochmal kurz einen Riegel reinschieben und an der Hütte gscheid essen dachten wir uns. Wie gesagt, dachten wir uns…..
Die 150 Hm zurück ins Festijoch waren lange 150 Hm. Oben angekommen wurden die Ski auf den Rucksack geschnallt und dem Abstieg zur Hütte stand nichts mehr im Wege. Beziehungsweise sollte nichts mehr im Wege stehen. Aber so schlau wie wir waren, haben wir uns im Vorhinein nicht im detail mit dem Aufstieg bzw. Abstieg vom Festijoch beschäftigt. Das hatten wir schon in der Früh gemerkt und bekamen es beim Abstieg auch nochmal zu spüren…
Die Karte in unserem Führer leitete uns auf die Nordseite des Grates, wo uns Bolts zusätzlich suggerierten auf dem richtigen Weg zu sein. Wir sind ein gutes Stück in Richtung Nordwesten geklettert, bis zum letzten Bolt am Grat. Die logische Schlussfolgerung für uns war, dass es von hier aus hinab auf den Festigletscher gehen muss.
Mit mehr oder weniger Plan haben wir versucht uns einen Weg in Richtung Festigletscher zu suchen. Durch das brüchige und doch relativ steile Gelände war das garnicht so einfach. In den abschüssig geschichteten Felsplatten war es auch nicht möglich ein gutes Köpfl zum Abseilen zu suchen.
Stück für Stück arbeiteten wir uns voran. Wir hielten immer wieder Ausschau nach guten Stellen zum Abklettern. Wenn wir nicht kletterten, bewegten wir uns auf rutschigem Untergrund bergab. Der Schnee war größtenteils schon getaut und hatte den Lehmigen Boden aufgeweicht. Dazu kam noch Geröll. Ich kann euch sagen, das ist genau das, was man nicht haben will, wenn man nach über 12 h Tour kurz vor der Hütte ist. Meine Nerven lagen eventuell etwas blank und ich wollte einfach nur an der Hütte ankommen. Als wir noch ein gutes Stück (ca. 80 Meter) über dem Gletscher waren, konnten wir mehrere Köpfel mit Schlingen sehen. Wir waren also nicht die ersten, die sich hier verlaufen haben. Wie dem auch sei, irgendwie haben wir es geschafft in diesem Schutthaufen einen Bolt zu finden. Diesmal kamen sogar nochmal kurz unsere Eisgeräte zum Einsatz, um die letzten besonders abschüssigen Meter durch den extrem rutschigen Schlamm sicher zum Bolt zu kommen. Nach drei mal Abseilen hatten wir endlich wieder Gletscherkontakt. Jetzt kamen die Brettl wieder unter die Füße.
Durch den schönsten hartgefrorenen Schnee kratzten wir über den Gletscher ab. Alles andere als eine Belohnung für diese Strapazen. Die letzten Meter zur Hütte wurden die Brettl wieder auf den Buckel geschnallt und wir legten sogar noch einen Endspurt zur Hütte ein.Till empfing uns schon voller Freude vor der Hütte. Der Tacho zeigte mittlerweile 19 Uhr an. Wir fühlten uns noch echt fit, dafür dass wir 15 Stunden nur mit Riegeln am Berg unterwegs waren.
Aber nachdem wir unsere Rucksäcke abgestellt hatten und es uns im Winterraum gemütlich gemacht hatten überkam uns die Anstrengung. Mir war einfach nur kalt, ich war müde und hatte einen Bärenhunger. Mit Daunenjacke im Schlafsack eingepackt saß ich in der Ecke und schaufelte alles in mich hinein, was irgendwie Kohlenhydrate besitzt. Fenja ging es nicht anders. Sag ich ja, wir fühlten uns noch echt fit
Das ist doch ein perfekter Abschluss für so eine Erlebnisreiche Tourenwoche.
Stolz wie Oskar sind Fenja und ich an diesem Tag ins Bett gegangen.
Danke an Till für die beste und motivierendste Begleitung, die man sich vorstellen kann und vor allem für den Kochservice am Abend!
Danke für die tolle Begleitung Till!