Totenkirchl Westwand „Dülfer“
Der Wecker klingelt, es ist 5:00 Uhr in der Früh. Wir befinden uns auf dem Stripsenjochhaus im Koasa. Kurze Zeit später befinden wir uns Schlaftrunken im Schuhraum und Frühstücken. Um 5:50 Uhr geht’s mit gepacktem Rucksack los Richtung Winklerschlucht. Auf dem heutigen Menüplan steht die „Dülfer“ (6+, E3-, 18 SL) in der Westwand vom Totenkirchl.
Bissl aufgeregt sind wir schon. Wird alles nach Plan laufen? Klettern wir schnell genug? Und eine wichtigsten Fragen beim Alpinklettern: Werden wir den Einstieg finden?
Und da geht der Spaß schon los. Wie es in der Beschreibung beschrieben steht, steigen wir von der Hütte nach Westen ab und nehmen den ersten, beschilderten Steig in Richtung Süden. Nach ein paar Minuten gehts dann wie beschrieben über eine Leiter in die Winklerschlucht hinunter. Ab hier werden die Wegspuren immer undeutlicher und nach kurzer Zeit verlieren wir unseren Weg. Scheinbar sind wir aber nicht die einzigen, denen das passiert, denn leichte Pfadspuren sind in viele Richtungen zu entdecken. Nach ein bisschen Gesuche finden wir einen Pfad entlang einer Felswand, der uns zurück auf unseren Weg führt. Der Wald wird lichter und wir treffen auf ein breites Schotterfeld. Die Winklerrinne, in welcher unsere Route startet, ist unschwer zu erkennen. Kurz unterhalb schmeißen wir uns des ganze Graffel an den Gurt und freuen uns, dass der Sucherei-Teil ja scheinbar gar nicht so schlimm war…
Pustekuchen. Nach guten 5 Minuten einfacher Kraxelei finden wir wie beschrieben einen Standplatz unter einem Überhang. Allerdings können wir weit und breit nicht den besagten Bohrhaken entdecken. Die Beschreibungen sind hier etwas verwirrend und passen nur teilweise zu dem Gelände vor uns. Nach gründlicher und zeitintensiver Suche entschließen wir uns, den „engen Geröllkessel“ weiter aufzusteigen. Und siehe da, ein weiterer geschlagener Standplatz. Zwar ist auch hier weit und breit kein BH in Sicht, aber das Gelände passt zur Beschreibung der zweiten SL. Also gehts endlich los (dachten wir….). Wir binden uns ein und ich klettere los. Nach einigen Meter finde ich die ersten Rostgurken. Haken kann man das nicht mehr nennen. Den ersten Standplatz kann ich nicht finden, die Seilreibung ist zu groß zum Weiterklettern, also baue ich einen Stand mit einer Sanduhr und einem Cam. Auch Fenja konnte beim Nachsteigen nirgends einen Stand entdecken, also steigt sie weiter vor und findet in einer Rinne eine massive Sanduhr mit mehreren Schlingen, an der sie unseren zweiten Stand baut. Durch brüchiges Gelände steige ich wieder vor und finde einige Schlaghaken, die alles andere als vertrauenswürdig sind. Hier und da kann ich einen Cam legen aber alles nicht so optimal. Den nächsten Stand baue ich auf einem kleinen Grat um ein Köpfl und hole Fenja nach. Als Fenja am Stand angekommen ist, beraten wir uns. Irgendwas stimmt überhaupt nicht. Das Wandbild passt nicht zu unserem Standpunkt, und von Bohrhaken oder Standplätzen haben wir auch nichts gefunden. Wir sind leicht am Verzweifeln und Überlegen, was wir falsch gemacht, was wir übersehen haben. Nachdem wir die Möglichkeiten über einen Rückzug diskutiert haben, versucht Fenja es nochmal und stiegt weiter auf dem Grat auf. Noch wäre ein Rückzug möglich, hier würden wir schon irgendwas basteln können, wo wir uns guten Gewissens abseilen könnten. Aber tatsächlich, nach ca. 20 Metern hat Fenja einen Standplatz gefunden. Die ersten Klebehaken! Die Erleichterung ist groß! Von hier oben sehen wir, dass wir scheinbar eine Rinne zu weit links aufgestiegen sind, aber wo wir falsch abgezweigt sind, wissen wir bis heute nicht! Mittlerweile ist es schon 10 oder 11 Uhr. Uns wird klar, dass das ein langer Tag wird. Auf uns warten noch 14 Seillängen. Jetzt müssen wir Gas geben.
Wir finden schnell unseren Flow und kommen fix voran. Ab der 6. Seillänge wird der Fels schöner und vor allem endlich fester. Die Kletterei macht jetzt richtig Spaß.
Bissl aufi, a weng ummi und scho sthen wir vor der Schlüsselseillänge. Der berüchtigte „Nasenquergang“, an dem Dülfer sich am Hanf-Strick abließ und zur Nase pendelte – Showtime für den Dülfersitz. Zum Glück nicht bei uns! Hans Dülfer kletterte ein Stück über der heutigen Linie in einem Riss hoch, setzte einen Normalhaken und pendelte rüber zu der Nase. Wir queren auf einer glatten Platte zur Nase, unter dieser durch und an ihrer linken Seite empor. An dieser glatten Querung sind wir froh über die zwei Bohrhaken, denn hier schauen die Friends am Gurt blöd aus der Wäsche. Ohne große Anstrengung steigt Fenja die Schlüsselseillänge vor und grinst dabei über beide Ohren über die schöne Kletterei.
Langsam lunzt auch die Sonne in die Westwand. Gut gelaunt klettern wir vor uns hin und die kleinen Probleme vom Morgen sind schon längst vergessen.
Die Routenführung ist stehts logisch und folgt sehr wörtlich „dem Weg des geringsten Widerstands“.
Meistens sieht man den nächsten Standplatz schon kurz nachdem man vom Letzten wegeklettert ist.
Die Sonne strahlt uns immer mehr auf das schrankbreite Kletterkreuz (schön wärs) und wir kommen ordentlöich ins Schwitzen. Um Gewicht zu sparen haben wir lediglich nur 2 Liter Wasser mitgenommen. Ob das die beste Idee war?? I doubt it!!
Umso mehr freuen wir uns, wenn sich die ein oder andere Wolke vor die Sonne schiebt. So schieben wir uns elegant wie Eidechsen (oder Eier??) eine Seillänge nach der anderen die Wand rauf und erreichen gegen 14:00 Uhr unseren Pausenplatz am Stand vor der 13. SL. Unser heutiges Menü besteht aus Brösel-Brot mit Tomatenmark. Da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen.
An diesem wundervollen Jausnplatzl bin ich eher semimotiviert zum Weiterklettern. Ich hätte jetzt auch kein Problem damit gehabt, den restlichen Tag in der Sonne zu liegen und zu faulenzen. Aber die schwierigsten Seillängen hatten wir ja schon geschafft, und das Ziel ist gar nicht mehr so weit entfernt.
In dem Kamin in SL 15 bleibt Fenja mitsamt ihren ganzen Freunden am Gurt fast stecken und ich als ich ihr folge, kann ich das dann auch nachvollziehen, warum sie meinte, diese V+ wäre zacher als die angebliche Schlüssellänge. Unsere Empfehlung: Der Vorsteiger sollte keinen Rucksack tragen, aber wenn man es einmal in den Kamin geschafft hat, fällt man nicht mehr raus.
3 Seillängen später stehen wir dann endlich, vor Freude jauchzend, auf dem Gipfel. Unsere Kletterherzen hüpfen vor Freude um die Wette. Eine Seilschaft auf dem Gipfel gegenüber erwidert unser Jodeln, ansonsten sind wir Mutterseelenallein. Doch begleitet von ordentlich Hunger und Durst und so machen wir uns auch schon auf den Abstieg in Richtung Sonnenuntergang.
Der Abstieg erfolgt über den Führerweg und ist mit den roten Markierungen nicht zu verfehlen. Alle längeren Kletterpassagen können schnell abgeseilt werden und so kommen wir trotz müden Haxn schnell runter. Als wir an der Hütte ankommen dämmert es schon und natürlich wird erstmal die obligatorische Pasta gekocht, bevor wir ins Lager fallen…
Alles in allem war es ein Traumtagerl trotz anfänglicher Schwierigkeiten. Man muss einfach sagen, der Dülfer war echt a wuider Hund. Hut (oder Helm) ab, wie er das alles mit zwei Hanfstricken und einer Hand voll Schlaghaken geklettert ist. Danke für die schöne Tour Hans!
Steckbrief „Dülfer Totenkirchl Westwand“
· Schwierigkeit: 16 SL, VI+, E3- („Nasenquergang“ VI+ oder V+/A0, sonst meistens zwischen V und VI-)
· Absicherung: Alpin, in allen SL stecken Normalhaken (mehr zum Orientieren als zum Benutzen), und an den nötigen Stellen sind Klebehaken zu finden. Alles Stände sind mit 2 Klebehaken abgesichert. Zum selbst legen finden sich viele Möglichkeiten.
· Material: Cams 0,3-3 (0,3-1 evtl. doppelt), Keile und ein paar Schlingen.