Pitztaler Eisexpress
Wenn der Eisexpress zum Stapfexpress wird
Schon seit zwei Jahren stand die Nordwandkombination aus Taschachwand, Petersenpitze NW, Brochkogel NW und Wildspitze NW auf unsere Liste.
Nachdem es wieder ordentlich warm war vergangene Woche hofften wir auf gute Bedingungen.
Also verabredeten Fenja, Marie und Tilly (der mit der schnellen Brilly) und meine Wenigkeit uns für Freitag zum Hüttenzustieg zum Taschachhaus. Samstag sollte dann der Eisexpress angegangen werden. Die gesamte Tour hat ca. 1500 hm, wobei 1200 hm auf die vier NW aufgeteilt werden. Die Wände sind nie steiler als 55 ° und Felskletterei maximal im 1. Grad. Der ganze Spaß soll so 8-12 Stunden dauern, bei guten Verhältnissen kann es auch schneller gehen. Gute Verhältnisse……
Im Vorhinein beachteten wir schon mit kritischem Blick die Neuschneefälle der Woche.
Es sah nicht besonders rosig aus. Aber dennoch machten wir uns auf den Weg zum Taschachhaus. Denn um das Ganze wirklich zu beurteilen, muss man sich es ja aus der Nähe anschauen.
Wir freuten uns, denn ab dem Parkplatz der Gletscherbahn konnten wir unsere Ski anschnallen und mussten nur eine kurze Passage tragen. Aber die Freude über einen Reibungslosen Hüttenzustieg war zu früh.
Ca. 200 hm unter der Hütte hörte ich Till hinter mir laut fluchen. Ich drehte mich um und sah Till wie er seinen halben Frontbacken in der Hand hielt.
Nachdem Till das letzte Stück zum Winterraum einbeinig gestampft war, gings auch direkt zum Abendessen und anschließend ins Bett.
Um 04:15 Uhr in der Früh klingelte der Wecker. Aufgestanden, das restliche Zeug zusammengepackt, was gegessen und schon standen wir vor der Hütte. Es war sehr mild draußen und hat über Nacht nicht stark abgekühlt. Wirklich optimistisch, dass der Tag perfekt für unsere Tour ist, waren wir demnach nicht. Zu warm, zu viel Neuschnee, Triebschnee, Nassschneerutsche und gegebenenfalls noch ein Altschneeproblem.
Aber nichts destotrotz machten wir uns auf und knapp eine Stunde später standen wir am Fuß der Taschachwand. Wirkliche Nordwandverhältnisse waren es nicht. Weder Trittfrin noch Blankeis fanden wir vor. Aber dafür fanden wir auch keinen Triebschnee und eine ungebundene Schneedecke vor.
Für Nassschnee war es eh noch zu früh.
Mit zwei Jungs aus dem Chiemgau, die dieselben Pläne hatten wie wir, stiegen wir zusammen die Taschachwand hinauf. Die Routenwahl war relativ eindeutig (Topo auf Bergsteigen.com oder „Eis und Firnklettern in den Ostalpen“). So wechselten wir uns mit dem Spuren mit den Jungs ab. Ein gutes Stück konnten wir mit Ski gehen. Dann wechselten wir auf Steigeisen, da die Unterlage unter dem weichen Powder hart und für die Kanten komplett rutschig wurde. Keine 10 Minuten später sackten wir aber wieder so tief im Neuschnee ein, dass wir wieder auf Ski wechselten.
Gegen Ende wurde es aber endgültig so steil, dass wir wieder Steigeisen anzogen, um das letzte Viertel der Wand zu bewältigen. Und ich musste einen Kampf mit meinem Inneren Schweinehund und meinen Beinen bewältigen. Zugegeben, ich fühlte mich an diesem Tag nicht besonders fit. Es muss wohl eine Kombination aus zu wenig Schlaf und zu wenig Energiezufuhr am Vorabend gewesen sein. Meine Beine brannten einfach und ich fühlte mich schwach. Nachdem ich von Fenja und Marie mit Cliffbars und motivierenden Worten aufgebaut wurde gings weiter.
Die letzten Meter wurden wieder steiler und der Schnee sehr ungemütlich tief. Die Sonne stand inzwischen höher und wir schwitzten vor uns dahin. Mit ein bisschen Felskontakt wühlten wir auch noch die letzten Meter dahin und wurden oben mit einem wunderschönen Ausblick belohnt.
Also wurde erst einmal gerastet und über den weiteren Verlauf diskutiert.
Uns allen war bewusst, dass es aufgrund der Schneemengen keinen Sinn machen würde, weiter zu stapfen. Ein großer Spaß ist das nicht und einfach brutal mühsam. Zur Wahl stand die direkte Abfahrt durch die Taschachwand oder weiterzugehen über die Südflanke zur Petersenspitze, über den Normwalweg auf die Wildspitze und anschließend übers Mittelbergjoch ins Skigebiet abzufahren. Der Vorteil hierbei: Wir würden uns sparen, das flache Taschachtal rauszufahren.
Der Nachteil: An der Wildspitze würden wir auf hunderte andere Menschen treffen, die aus dem Skigebiet kommen, um auf die Wildspitze zu gehen. Zudem wäre die Abfahrt durch die Taschachwand eine super pornöse Abfahrt. Und der restliche Weg auf die Wildspitze absolut ned steil und deswegen halt auch ned geil.
Wann kann man schon eine fast 50 ° Steile Flanke bei so viel und so genialem Schnee abfahren? Im April!
Also fackelten wir nicht allzu lange und fuhren in die Taschachwand rein. Da es erst 11 Uhr war, machten wir uns noch keine allzu große Gedanken über die Nassschneeproblematik oder Lockerschneerutsche und nach einem Altschneeproblem hatte es beim Raufstapfen nicht ausgesehen. Und ich muss sagen, das war eine der besten Abfahrten der Saison. Am Anfang mussten wir kurz noch einmal 20 Höhenmeter absteigen, da es zum fahren zu felsig war. Doch dann konnten wir im fast 50° steilen Gelände unsere Ski anschnallen und jauchzend die Taschachwand runterpowdern!
Wie erwartet brachen wir nicht durch die gut gefestigte Altschneeunterlage durch und nur die oberste dünne Neuschneeschicht schwamm ungefährlich mit. So konnten wir bedenkenlos in den fluffigen Powder eintauchen und konnten unser Glück für diese gigantische Abfahrt um diese Jahreszeit kaum fassen. Dafür hatte sich die Plagerei beim Hochwühlen absolut gelohnt!
Die Ausfahrt aus dem Taschachtal ging dann auch echt zügig und wir mussten verhältnismäßig wenig schieben.
Auch wenn sich unser ursprünglicher Plan nicht ausgegangen ist, war es eine super Tour! Was am Ende zählt ist das Erlebnis und nicht welche Tour man gegangen ist. Vielleicht sieht uns der Pitztaler Eisexpress wieder, wenn mal wirklich Eis da ist, vielleicht auch nicht. Wer weiß wie lange man solche Touren noch gehen kann…
Dank für die schöne Tour @Marie und @Fenja. Und Tilly das nächste Mal bist du auch dabei!